Hochtour
Wunderschön – und doch erschreckend!!
Unsere diesjährige Hochtour führte uns mitten ins Herz der Silvrettagruppe. Die Wiesbadener Hütte stellte sich als idealer Stützpunkt für unsere geplanten Gipfelziele heraus.
Aufgrund der immer drastischeren Auswirkungen des Klimawandels, ist es bei solchen Unternehmungen am sinnvollsten, die Verhältnisse vor Ort abzuklären. Die unmittelbare Umgebung der Hütte bietet sehr viele Möglichkeiten, sodass es für alle Bedingungen eine Option gibt.
So starten wir alle sehr erwartungsvoll am Parkplatz auf der Bielerhöhe am Silvretta Stausee. Immerhin sind wir hier bereits in einer Höhe von 2042 m. Über den Sommerweg wandern wir in drei Stunden zur ca. 400 Hm höher gelegenen Wiesbadener Hütte. Der Fahrweg wäre einfacher und kürzer, aber langweilig gewesen. Unsere schweren Mehrtages-Hochtourenrucksäcke, inkl. Seil und Ausrüstung, bringen uns ganz schön ins Schwitzen. Doch keiner denkt auch nur eine Minute an die einfachere Variante. An der Hütte selbst herrscht dann doch schon eher Großgastronomie-Atmosphäre. Neben unzähligen Tagesgästen tummeln sich hier auch die „echten Bergsteiger“ und sortieren ihre Utensilien. Nachdem wir uns mit Speis und Trank gestärkt, sowie die Zimmerlager bezogen haben, steigen wir hinter der Unterkunft etwa 150 Hm bergan Richtung Tiroler Scharte. Da mittlerweile viele dunkle Wolken aufgezogen sind, verzichten wir auf eine Gipfelbesteigung und beginnen unweit der sicheren Herberge mit den Grundtechniken der Spaltenbergung in 3er, 4er und 5er Seilschaften. Somit sind wir für den nächsten Tag im spaltenreichen Gletschergebiet bestens vorbereitet.
Am Abend informieren wir uns noch über die aktuellen Bedingungen am Berg beim Hüttenwirt. Der Piz Buin ist mit seinen 3312 m zwar der höchste Gipfel hier, aber aufgrund der extrem starken Frequentierung und der damit nicht zu unterschätzenden Steinschlaggefahr, entscheiden wir uns für das benachbarte 3244 m hohe Silvrettahorn.
Da die Temperaturen nachts nicht mehr unter die Nullgradgrenze sinken, ist auch kein allzu früher Aufbruch erforderlich, zudem gibt es auch erst ab 06:00 Frühstück. Für Hochtouren ist das eher ungewöhnlich!
Der Gletscher ist im unteren Teil aper, d.h. wir können die Spalten sehr gut einsehen. Bis dahin ist es allerdings ein relativ weiter Weg. Jahr für Jahr wird der Zustieg zum Eis länger und anspruchsvoller. Ab der halben Strecke wird das Tragen eines Helmes unerlässlich. Nur so können wir sicher durch die Steilstufen im Fels kraxeln. Kurz vor der Querung einer Geröllrinne müssen wir beobachten, wie ein Felsblock, von der Größe eines Kleinwagens, ausbricht und mit Volldampf durch eben diese Rinne in die Tiefe donnert. Permafrost lässt grüßen!! Mit einer gehörigen Portion Respekt queren wir einzeln die Gefahrenstelle. Kurz darauf stehen wir endlich am Einstieg zum Gletscher. Wegen der Ausaperung können wir im unteren Bereich unangeseilt gehen. Die Begeisterung innerhalb der Truppe ist groß. Für einige Teilnehmer ist es der erste Eiskontakt, die erste Hochtour und letztendlich auch der erste 3000er. Es wird jede Menge fotografiert. Es ist ja auch sehr beeindruckend, so ein Eispanzer mit Spalten, in denen sogar auch Handys verschwinden können😊!!
Je höher wir steigen, desto mehr Schneeauflage gibt es. Deshalb gehen wir nun in Seilschaften weiter. Anfangs ist es der gleiche Weg, wie hinüber zum Piz Buin, dann jedoch zweigt die Spur rechts in eine Steilstufe ab und bringt uns hinauf zur Egghornlücke 3080 m. Hier beginnt der felsige Gipfelaufbau des Silvrettahorns. Wir binden uns aus den Seilschaften aus und deponieren unsere Rucksäcke. Von nun an geht jeder für sich selbst. Es ist viel zu steil für eine Seilschaft. Der Aufstieg bis zum Vorgipfel ist zwar technisch nicht sehr schwierig, aber ausgesetzt und zudem ziemlich marode und bröselig. Die Erklimmung des Hauptgipfels verlangt dann allerdings sehr luftige Gratkletterei (UIAA I-II). Nix für schwache Nerven!! Egal, ob Haupt- oder Vorgipfel, die Aussicht ist überall umwerfend!! Wir haben grandioses Wetter und noch dazu ein gigantisches Panorama. Der 360° Rundumblick lässt keine Wünsche offen. Von grünen Almhügeln bis zu den eisbedeckten 4000ern der Westalpen ist alles zu bestaunen. Dominant strahlt der Piz Palü (3905 m) zu uns herüber. Bergerlebnis pur!! Und das Allerbeste – es ist nahezu windstill!! Sehr außergewöhnlich für solche Höhen. Nach euphorischen Glückwünschen und den obligatorischen Fotos steigen wir wieder mit erhöhter Vorsicht ab. Zu unserer Erleichterung stellen wir fest, dass wir bergauf nicht ganz den richtigen Weg gewählt haben und daher der Abstieg nun um einiges einfacher ist. Wir sind keineswegs böse darüber. Wieder am Gletscher angekommen, stapfen wir angeseilt im immer weicher werdenden Schnee zurück Richtung Wiesbadener Hütte. Nach den Ereignissen vom Vormittag und in Anbetracht der Tatsache, dass man den Abstieg niemals unterschätzen sollte, sind wir alle erleichtert, dass wir, von kleineren Zwischenfällen abgesehen, wieder heil zurückgekommen sind. Es war ein sehr gelungener Hochtourentag mit Gipfelerfolg!
Über die Tiroler Scharte auf den Ochsenkopf (3057 m) lautet der Plan für den nächsten Tourentag. „Wenn wir schon alle aus Franken kommen, dann müssen wir auch auf den Ochsenkopf!!“ – Zitat eines Teilnehmers. Nun ja, der hiesige Berg mit dem in Franken sehr geläufigen Namen ist ein etwas anspruchsvolleres Objekt.
Der mäßig steile Anstiegsweg in die Tiroler Scharte (2935 m) lässt uns rasch unsere „Betriebstemperatur“ erreichen. Ab hier geht es in kombiniertem Gelände aus Schnee, Geröll und Fels über den Nordrücken und -grat teils recht luftig zum Gipfel. Nach knapp drei Stunden stehen alle DAV’ler glücklich am höchsten Punkt. Im Vergleich zu den anderen, wesentlich bekannteren Zielen in dieser Gegend, treffen wir hier kaum weitere Alpinisten. Für den Rückweg haben wir uns, dank Markus, ein besonderes Schmankerl ausgesucht. Völlig weglos steigen wir über die Südwestflanke des Bergstockes hinab zum Jamtalferner. Am Gletschereinstieg (2800 m) legen wir nun die Steigeisen an, um über die Obere Ochsenscharte (2950 m) auf den Vermuntgletscher zu gelangen und über diesen wieder zu unserer Unterkunft zurückzukommen. So ergibt sich eine herrliche Rundtour mit hochalpinem Charakter. Unterwegs treffen wir noch auf eine 4er Seilschaft vom „Gletscher – Forschungsinstitut Innsbruck“. Sie sind bei ihren routinemäßigen Vermessungsarbeiten und haben nichts Gutes zu berichten. In diesen Regionen ist der Klimawandel extrem (be)greifbar.
Heute sind wir zeitig zurück an der Hütte und können so den Nachmittag mit Kaiserschmarrn, Kaffee und Sonnenschein gemütlich ausklingen lassen. Wie bereits an den vergangenen Tagen, regnet und gewittert es auch am heutigen Abend wieder. Binnen weniger Minuten herrscht dichter Nebel und gleichzeitig Sonne rund um die Berge. Ein spektakuläres Wetterschauspiel. Für den Folgetag allerdings, sieht es wettertechnisch wieder gut aus!
Leider müssen wir schon wieder absteigen und nach Hause fahren. Viel zu schnell vergeht immer die Zeit in solch einer herrlichen Umgebung und mit so einer tollen Truppe. Als besonderes „Schmankerl“ für den Abstiegsweg haben wir uns die Besteigung des Hohen Rades (2935 m) vorgenommen. Über den Radsattel (2652 m) und die -schulter (2697 m) wandern wir zunächst Richtung Silvretta Stausee. Die heute wieder voll beladenen Rucksäcke lassen wir an einem schützenden Felsblock zurück und steigen, bzw. kraxeln in steilem Gelände weitere 250 Hm zum Gipfel - abermals ein Parade-Panoramaberg. Zu unserem Glück dürfen wir die freie Sicht zum Piz Bernina mit dem weltberühmten Biancograt genießen. Dieser wurde uns nämlich am Silvrettahorn durch den Piz Linard (3410 m) versperrt. Sehr zufrieden begeben wir uns auf den Rückweg. Die Wolken werden dunkler und mahnen zum Abstieg. Der vermeintlich einfache Weg zum Parkplatz entpuppt sich zunächst als steiles, äußerst lockeres Blockgelände. Absolute Konzentration ist erforderlich, v.a. mit dem Gepäck auf dem Rücken!! Letztendlich spazieren wir dann doch über Almwiesen und einfachere Wanderpfade zum Nordwestufer des Silvrettasees.
Überglücklich und äußerst dankbar über das tagsüber stabile Wetter der vergangenen vier Tage, packen wir unser Gepäck in die Autos und fahren gemütlich wieder in die fränkische Heimat.
Als Fazit bleibt zu sagen, dass derartige Hochtouren aufgrund der Verhältnisse immer anspruchsvoller werden und genaue Planung verlangen. Am sinnvollsten ist es, sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen, um dann entsprechend agieren zu können.
Und zwar so, dass jeder Freude an der Sache hat!!
All meinen Respekt an diejenigen, die ihre erste Hochtour, bzw. ihren ersten 3000er so bravourös gemeistert haben.
Ganz herzlichen Dank an die gesamte Truppe – ihr ward einfach toll und es hat mir riesig Spaß gemacht!!
Bis zur nächsten Hochtour – sie kommt gewiss………..
Euer Ralf
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